Freitag, 15. Januar 2021

Ein neuer Blick auf Verantwortung!

 

Der Artikel zur Verantwortung von Marina Stege in der letzten Ausgabe der Empathischen Zeit beschäftigte mich noch lange nach seiner Lektüre. Ich hing vor allem an dem Satz: "ich bin nicht für die Gefühle meiner Tochter verantwortlich.". Ich sage genau das gleiche in meinen Einführungen: „Ich bin nicht verantwortlich für die Gefühle der anderen.“ - und begegne dabei immer wieder dem Widerstand und Unverständnis der Teilnehmerinnen. Diese Aussage kommt ihnen egoistisch und herzlos vor. Ihre Bedürfnisse nach Mitgefühl und Beitragen zum Wohl der anderen melden sich und sind im Mangel.

Und ich fragte mich, ob ich mit diesem Satz wirklich das ausdrücke, was ich ausdrücken will.

Es kam mir so vor, als ob es hier eine Unsicherheit gäbe, die den Sprachgebrauch des Begriffes von "Verantwortung" betrifft, den wir in der GFK pflegen, und ob nicht vielleicht ein anderer treffender und hilfreicher wäre. Deshalb möchte ich in diesem Artikel einmal genauer untersuchen, was genau ich eigentlich meine, wenn ich "Verantwortung" sage.

Hinter Marinas Satz liegt die Erkenntnis der GFK, dass unsere Gefühle aus uns und in uns selbst entstehen. Sie werden ausgelöst durch die Dinge und die Ereignisse, denen wir im Leben begegnen, also auch den Handlungen der anderen Menschen und dem, was sie sagen. In der GFK üben wir, diese "Fakten" genau zu benennen und nennen sie "Beobachtung"- wir beschreiben, was gerade genau passiert (ist) - ohne Urteile und Bewertungen dazuzufügen.

Diese Beobachtung löst in uns eine zumeist und zuerst jedenfalls unbewusste innere Reaktion aus: wir bzw. unser Hirn ordnen das Geschehene in unsere Zusammenhänge und Erfahrungen ein und entwickeln dazu bewusste Urteile und Bewertungen und eben auch Gefühle: wenn wir ein Auto sehen, dass sich auf uns zu bewegt, schätzen wir sofort unbewusst seine Geschwindigkeit ein, berücksichtigen zunächst sicherlich ebenso unbewusst die übrige Umgebung und entwickeln dann vielleicht Angst und denken: das ist gefährlich.

Das ist eben die Aufgabe der Gefühle und Gedanken: sie sollen unser Überleben sichern, indem sie uns helfen, unsere Situation zu bewerten, unsere Bedürfnisse zu erkennen und für ihre Erfüllung zu sorgen. In meinem Fall ist der Grund der Angst und des sie begleitenden Gedankens "das ist gefährlich" vermutlich unser Bedürfnis nach Sicherheit, das im Mangel ist.

Und wenn die Gefühle und Gedanken, die jemand hat, verursacht werden durch diesen inneren Prozess, der in der betreffenden Person abläuft, habe ich als Außenstehender keinen direkten Einfluss darauf. Das, was ich sage und tue, löst nur etwas aus, ich bewirke nicht ursächlich etwas und "ich bin auch nicht verantwortlich" dafür.

So gesagt, klingt das eigentlich ganz schlüssig: ich bin nicht für Deine Gefühle verantwortlich.

Gleichzeitig frage ich mich, ob Verantwortung für mich das meint: Nur, wenn ich etwas ursächlich hervorrufe oder bestimme, dann bin ich dafür verantwortlich. Wenn nicht, dann nicht.

Für mich ist Verantwortung vor allem etwas anderes: sie ist ein Bedürfnis, eine Qualität, die ich in mir habe, die wir alle in uns haben. Ich sehne mich nach einem verantwortungsvollen Umgang miteinander in der Welt. Und um mir das Bedürfnis nach Verantwortung zu erfüllen, versuche ich, dafür zu sorgen, dass das, was ich sage und tue, in Übereinstimmung mit meinen Werten und Vorstellungen geschieht. Das ist für mich Verantwortung in der GFK: meine freiwillige Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass meine Handlungen dazu beitragen, einen friedvollen Raum für Mitgefühl im Miteinander zu erschaffen.  Ich nehme mich ernst und versuche, meinen Wunsch umzusetzen, unsere Welt ein bisschen schöner zu machen. Das schaffe ich, weil Deine Gefühle und Bedürfnisse auch Teil meiner Welt sind, und ich sie zusammen mit meinen berücksichtigen möchte.

Wenn ich dagegen sage: ich bin nicht verantwortlich für Deine Gefühle und Bedürfnisse, scheint es mir, dass ich ganz woanders stehe: ich drücke ein statisches Urteil aus und verwende den Begriff Verantwortung, wie er im Bereich des bürgerlichen Rechts gebraucht wird: ich bin Verursacher und deshalb verantwortlich gegenüber dem Gesetz und dem Richter, stehe Rede und Antwort, und ich hafte für etwas.

Das Paradigma, das diesem Sprachgebrauch zu Grunde liegt, basiert auf Schuld und Strafe, auf Macht-Über und auf Gewalt. Und es kommt mir so vor, als ob ich mich genau dieses Sprachgebrauches bediene, wenn ich so etwas sage: ich verursache Deine Gefühle nicht, also bin ich auch nicht verantwortlich dafür.

Genau aus diesem Denken will ich allerdings raus. In meiner GFK-Vorstellung bin ich überhaupt nicht verantwortlich - niemandem und auch nicht mir selbst gegenüber, sondern "ich übernehme Verantwortung". Verantwortung übernehmen - das ist für mich meine freiwillige "Verpflichtung", dafür zu sorgen, dass das, was ich sage und tue, in Übereinstimmung mit meinen Werten und der Grundabsicht der GFK: zum Frieden beizutragen, geschieht. Und ob es diese Übereinstimmung gibt, erkenne ich an den Konsequenzen und Wirkungen von dem, was ich tue und sage.  Und wie Du Dich fühlst, wird auf jeden Fall eine Auswirkung von dem sein, was ich gesagt oder getan habe - auch wenn es hier keinen ursächlichen Zusammenhang gibt.

Und auch die Erfüllung Deiner Bedürfnisse liegt nicht in meiner Macht, da meine Handlungen niemals der ursächliche Grund für ihre Erfüllung sein können. Gleichzeitig ist die Absicht der GFK, zu Deinem und unser aller Wohlergehen beizutragen. Sie ist für mich die Sprache des Friedens und impliziert, dass ich Deine Bedürfnisse genauso wichtig nehme wie meine eigenen.

Und so kann ich sagen: ja, ich übernehme Verantwortung für meine Handlungen und ihre Auswirkungen auf Dich, auf die Gesellschaft, auf die Erde. Ich stelle mich meiner Verantwortung. So kann ich auch etwas bedauern, was ich gesagt oder getan habe und was vielleicht zu Resultaten und Konsequenzen geführt hat, die ich nicht gewollt habe. Ich erkenne an, dass Deine Gefühle eine Folge von dem sind, was ich gesagt oder getan habe. Es ist keine ursächliche Folge, und es hätte sicherlich auch zu einer anderen Konsequenz führen können. Gleichzeitig ist es so, wie es ist. Und dafür übernehme ich Verantwortung. Nur dadurch kann ich sagen, dass es mir leidtut und kann es bedauern. Und so wird, glaube ich, auch Vergebung und letztlich Heilung möglich.

Deswegen ist es für mich so, dass ich, auch wenn ich keinen ursächlichen Einfluss auf die Gefühle und Bedürfnisse, bzw. die Bedürfnislage der anderen Person habe, sie doch mit in mein Denken und Handeln mit einbeziehen will. Sie finden innerhalb des Bereiches statt, für den ich Verantwortung übernehmen will.

So versuche ich, für mein Handeln Strategien zu finden, die die Bedürfnisse der anderen gleichermaßen berücksichtigt wie meine. Und Teil meiner Verantwortung liegt darin, hierbei die Balance zu finden.

Insgesamt kommt, wenn ich sage, dass die Bedürfnisse der anderen Person, der anderen überhaupt, so wichtig sind wie meine, noch ein weiterer Aspekt zum Vorschein, der mir sehr wichtig ist:

Ich rede zwar von "meinen" Bedürfnissen und "Deinen", benutze diese Unterscheidung allerdings nur, um zu zeigen, auf wem gerade meine Aufmerksamkeit liegt. Im Grunde ist es ja so, dass die Bedürfnisse universell sind.

Sie sind kollektiv, sind nur gerade unterschiedlich in der anderen Person oder in mir präsent.

 

Und den kollektiven Aspekt der Bedürfnisse möchte ich gerne noch etwas beleuchten und dazu einmal unser Bedürfnis nach "Verantwortung" hernehmen, um das es ja hier geht. Und mit ihm zusammen spielt auch "Freiheit" eine große Rolle: weil nur, wenn ich davon ausgehe, dass ich frei entscheiden kann, was ich sage und tue, kann ich dafür auch Verantwortung übernehmen. Deshalb sind diese beide Bedürfnisse für mich sehr eng verknüpft. Und ich möchte sie für unseren Gebrauch in der GFK genauer definieren, um sie besser von dem "bürgerlichen" bzw. umgangssprachlichen Gebrauch zu unterscheiden und klarer in ihrem Gebrauch sein zu können.

Beide Bedürfnisse haben in der Geschichte unserer Gesellschaft eine fundamentale Bedeutung, die zurückreicht in die Bemühungen des aufstrebenden Bürgertums, sich aus dem Feudalismus und Klerikalismus zu befreien. Ab jetzt ging es nicht mehr um eine höhere autoritäre Ordnung, der alle dienen, ab jetzt stand das Individuum im Mittelpunkt der Gesellschaft.

Dementsprechend ist die Definition von beiden sehr individualistisch: meine Freiheit ist das höchste Gut, und sie besteht darin, jederzeit tun und lassen zu können, was ich will (und das wird sogar gewünscht und gefördert, denn: wenn jeder gut für sich selbst sorgt, ist für alle gut gesorgt - das ist das Bild der bürgerlichen Philosophie). Meine Freiheit ist eigentlich grenzenlos und kommt nur da an ihre Grenze, wo sie die Freiheit der anderen Person, dasselbe zu tun, beschneidet. Freiheit bezeichnet die Autonomie des einzelnen Subjektes.

Dementsprechend auch das Verständnis von Verantwortung: Entweder sie wird nur in der individuell festlegbaren Übereinstimmung von Werten und Handlungen gesehen, oder sie braucht, weil der Mensch an sich ja als schlecht angesehen wird und seine Freiheit missbrauchen könnte, eine Instanz, der gegenüber jeder verantwortlich ist: das Gesetz und die staatlichen Institutionen.

Mir ist bewusst, dass ich hiermit eine Sichtweise darstelle, die die bürgerliche Philosophie und Sichtweise sehr vereinfacht und auf die Spitze treibt. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang vor allem, dass heutzutage beide Begriffe, Verantwortung und Freiheit, subjektiv und individuell gefasst und verstanden werden.

In meinem Verständnis von Verantwortung und auch von Freiheit sind die anderen Menschen (und auch die anderen Lebewesen, die ganze Natur) bereits mitgedacht. Nicht, dass ich da schon eine fertige Definition parat habe. Ich weiß aber, spüre es ganz deutlich in mir, dass beide Bedürfnisse für mich kollektiv sind, nur so einen Sinn haben. In meiner Fantasie kann nur ich allein gar nicht wirklich frei sein. Ich kann das nur im Zusammenhang mit anderen. Und auch meine Verantwortung sehe ich als kollektives Bedürfnis, dass alle anderen Menschen mit einschließt.

Vielleicht verschwindet auf diese Weise auch die Vorstellung von der Trennung von Individuum und Gesellschaft bzw. Gemeinschaft ein bisschen.

 

In meiner Vorstellung bekommt all das in diesen Corona-Zeiten eine besondere Bedeutung. Ich habe im letzten Jahr etwas gelernt, glaube ich: nämlich, dass der Ausweg aus dieser Situation nur kollektiv geschehen kann. In der Beschäftigung mit Corona und den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hat es mir geholfen, mein Verständnis von Verantwortung und Freiheit neu zu definieren. Ich habe die individualistische Perspektive auf diese Bedürfnisse aufgegeben und ihre kollektive Dimension erkannt. Dadurch ist es mir leichtgefallen, aus dem scheinbaren Widerspruch vieler weiterer Bedürfnisse, die sich in diesem Zusammenhang in mir melden, herauszukommen und komme in einen inneren Frieden.

 

Was trotzdem nicht heißt, dass ich mit allem einverstanden bin…

 

In solchen Momenten ist es dann manchmal nicht so leicht, Verantwortung zu übernehmen und andere an diesem Prozess beteiligte als Menschen zu sehen.

Das ist nämlich auch Teil der Verantwortung, wie ich sie verstehe: selbst in Momenten, in denen ich denke, dass meine Bedürfnisse wirklich unerfüllt sind, mein Herz offen zu halten. Auch in diesen Situationen offenbart sich die kollektive Dimension unserer Bedürfnisse, weil ich erkannt habe, dass auch hier die Gemeinschaft eine entscheidende Rolle spielt.

Oder, wie Miki Kashtan es in den Core-Commitments formuliert:

 

Selbst wenn ich die Handlungen oder Worte anderer nicht verstehe, sie mir Angst machen oder schmerzhafte Auswirkungen auf mich haben, will ich davon ausgehen, dass ihnen eine menschliche Absicht zugrunde liegt, die auf Bedürfnissen basiert. Wenn ich bemerke, dass ich Hintergedanken unterstelle, andere in Schubladen stecke oder ihre Handlungen analysiere, will ich mir Unterstützung dafür holen, mich wieder in dem Wissen zu verankern, dass jede menschliche Handlung ein Versuch ist, Bedürfnisse zu erfüllen, die auch in mir angelegt sind. Dies gilt selbst dann, wenn diese Handlungen nicht lebensdienlich zu sein scheinen

 

Selbst wenn ich über erhebliche Erfahrung und großes Wissen verfüge, will ich mir vergegenwärtigen, wie wenig ich in Wirklichkeit weiß und wie sehr ich schlicht ein Teil der Entfaltung des Lebens bin. Wenn ich bemerke, dass ich eine Situation kontrollieren will oder mich auf meine Autorität berufe, um Unstimmigkeiten aus dem Weg zu gehen, dann will ich mir Unterstützung holen, um mein Festhalten an ein Ergebnis zu lösen, um Komplexität und Ungewissheit willkommen zu heißen, um verschiedenen Perspektiven zuzuhören und mich ehrfurchtsvoll dem Mysterium des Lebens in seiner Fähigkeit sich anzupassen, zu transformieren und zu erneuern hinzugeben.

 

Und vielleicht ist das der Kern von Verantwortung im Sinne von GFK: dafür Sorge zu tragen, dass mein Herz offen bleibt.

Mittwoch, 6. Mai 2020

Konflikt und Dialog in Krisenzeiten - online Seminar

Konflikt und Dialog in Krisenzeiten
Jetzt ist die Zeit, das zu klären, was Ihnen am Herzen liegt

Konflikte gehören zum Leben. Vielleicht zur Zeit noch offensichtlicher als sonst.

Wie gelingt Verständigung, wenn Sie – anders als gewohnt – mehr Alltag miteinander verbringen, Routinen fehlen, die Aufgabenverteilung neu ausgehandelt werden muss? 

In welcher Situation auch immer Sie sich befinden, wenn Sie für das einzustehen wollen, was Ihnen wichtig ist, müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Gegenüber nicht unbedingt applaudiert. In der Vergangenheit hat Sie dann vielleicht doch das ein oder andere Mail der Mut verlassen und Sie haben lieber nichts gesagt – um des lieben Friedens willen. Gleichzeitig merken Sie, dass Ihre Unzufriedenheit wächst und das Unausgesprochene zwischen Ihnen steht.

Was also tun?

Wir möchten Ihnen an diesem Wochenende die Angst vor Konflikten nehmen.

 
🎯         Sie erfahren, wie Sie Dinge ansprechen, die Ihnen am Herzen liegen, ohne die Gefühle und Bedürfnisse Ihres Gegenübers aus dem Blick zu verlieren.
🎯         Sie üben, wie Sie wirkungsvoll für das einstehen können, was Ihnen wichtig ist.
🎯         Sie lernen, wie Sie umgekehrt, wenn Sie mit Konflikten konfrontiert werden, einen Umgang damit finden, der zu Kontakt und Verbindung beiträgt und gleichzeitig die unterschiedlichen Sichtweisen berücksichtigt.
🎯        Selbstwirksamkeit: Sie nehmen die Zügel wieder in die Hand.

Wir arbeiten in der Haltung und mit der Methode der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg. Grundkenntnisse der Gewaltfreien Kommunikation sind von Vorteil aber keine Voraussetzung für die Teilnahme am Seminar.

Interaktives Online-Seminar auf Zoom.

Wie in einem „wirklichen“ Seminar erleben Sie theoretischen Input im Plenum im Wechsel mit praktischen Übungen als Kleingruppen- oder Einzelarbeit.

Das passiert im Seminar:

Sie arbeiten an und mit eigenen praktischen Beispielen aus Ihrem privaten oder beruflichen Alltag

Sie erfahren Austausch mit anderen und sind in Kontakt mit Menschen, die dasselbe wollen wie Sie.

Sie lernen und üben, wie Sie Ihre Anliegen klären und ausdrücken können.

Sie erleben Begegnung und Interaktion, die Sie in Ihrem Umfeld direkt anwenden und umsetzen können.

 

 

Termin:
Sa., 23.-So., 24.05.20, jeweils 10-13 Uhr und 15-18 Uhr
3 Follow-up Termine, 1,5 Stunden, Dienstagabends: 2.6., 16.6., 30.6., 20 Uhr

Für Zoom benötigen Sie einen Rechner, Laptop oder Tablet mit Internetzugang mit Mikrofon und Kamera.

Den link zu unserem Seminar verschicken wir mit der Anmeldebestätigung.

Wenn Sie mit Zoom und Videokonferenzen noch nicht so vertraut sind und sicher sein möchten, dass am Wochenende alles gut klappt, laden wir Sie herzlich zu einem „Technik-Termin“ am Dienstag 19.5., 20.00 Uhr ein.

Kosten:
nach Selbsteinschätzung von 130-300 €

Wenn Sie Schwierigkeiten haben, den Betrag aufzubringen, laden wir Sie herzlich ein, uns anzusprechen. Wir finden gemeinsam eine Lösung.

 

Seminarleitung:
Mirja Heunemann
www.begegnungsimpulse.de

Johannes Henn
www.friedenschliessen.de


Mittwoch, 25. März 2020

„Bedürfnisschätze heben“ (Schiffe versenken für GFKler)



Für 2 oder 3 Spieler. Geht auch gut in der Übungsgruppe zu viert oder zu sechst.

Alle brauchen ein Spielblatt, eine Bedürfnis- und eine Gefühlsliste für erfüllte und unerfüllte Bedürfnisse. Die Bedürfnisliste soll für alle die gleiche sein.

Phase 1:
Jede Spielerin sucht zuerst drei Bedürfnisse, die gerade eine besondere Bedeutung für sie haben und schreibt sie in die blauen Felder im oberen Teil des Spielblatts. Dann geht sie nacheinander in einen innigen Kontakt mit diesen Bedürfnissen. Dabei findet für jedes Bedürfnis 6 Gefühle, die sie dabei in Verbindung mit dem Bedürfnis – erfüllt und auch unerfüllt, wie sie möchte – spürt (so entsteht der Schatz) und schreibt sie unter das Bedürfnis in die entsprechende Tabelle. Nehmt Euch dafür viel Zeit, damit Ihr wirklich spüren könnt! Bei uns hat das immer 15-20 Minuten gedauert.

Dann verteilt sie ihre Bedürfnisschätze, die durch die 6 Gefühle bzw. ihre Nummern dargestellt werden, auf ihr Feld unten auf dem Spielblatt, so, wie hier auf dem Bild dargestellt.
Dabei müssen alle Gefühlsfelder über mindestens eine Kästchenseite miteinander verbunden sein, und die Bedürfnisschätze dürfen sich nicht gegenseitig berühren.

 




Phase 2:
Nun tun sich alle zu zweit zusammen und versuchen abwechselnd, über das Aufrufen der Felder (zB. E5) die Schätze der Mitspielerin zu finden. Bei jedem Treffer erhält die Spielerin die Nummer (zB. 25 oder 32) ihres Treffers und erhält auch das Gefühlswort, das sie entsprechend in die Felder der Tabellen ihrer Mitspielerin in der Mitte ihres Spielblattes einträgt.
Ihre Treffer und Fehlversuche kann sie in die rechte Hälfte des karierten Blattes unten eintragen. Wenn Ihr zu dritt seid, funktioniert diese Phase im Uhrzeigersinn gut.


Phase 3:
Wenn alle Schätze gehoben sind, geht es wieder mit Hilfe der Bedürfnisliste ans Herausfinden der Bedürfnisse, die hinter den jeweiligen Gefühlen stehen. Hier hat es sich bewährt, vor allem, wenn die Zeit knapp wird und Ihr zu mehreren spielt, wenn sich jede Spielerin erst reihum ein Bedürfnis aussucht, das sie herausfinden möchte. Sie schaut also, welche gefundenen Gefühle auf ein Bedürfnis hinzuweisen scheinen, das ihr gerade spannend vorkommt und versucht, das allein oder zusammen mit den anderen Mitspielerinnen (bei mehr als zwei Spielerinnen) herauszufinden. Wenn die Runde um ist, oder, wenn die Zeit reicht, alle Bedürfnisse gefunden sind, ist das Spiel zu Ende.



Dienstag, 12. November 2019

Die vier Ohren ("extended Version")


Diese Übung ist in meinen Einführungen eigentlich die zentrale Übung. Hier lernen die TeilnehmerInnen zum ersten Mal die Giraffensprache kennen und mehr noch: sie erfahren die Wirkung am eigenen Leibe. Sie üben das Übersetzen und kommen in Kontakt mit ihren eigenen Bedürfnissen und denen des Gegenübers.
Darüber hinaus ist es eine Übung, die allen für sich und der Gruppe als ganzes gut tut: Alle haben teil an dem Konflikt der "arbeitenden" Person und tragen durch ihre Aufmerksamkeit und ihr Mitgefühl zu dem Prozess bei..

Struktur:

Wir brauchen 6 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, außerdem eine Reihe von vier Stühlen und einen Stuhl, der dieser Reihe gegenübersteht. Vor den vier Stühlen, die in der Reihe stehen, liegen auf dem Boden von links nach rechts Karten, die das jeweilige Ohr, das gerade dran ist, bezeichnen.






Außerdem ist es hilfreich und unterhaltsam, die Wolfs- und Giraffenohren zum Aufsetzen dabei zuhaben. 

Ablauf:

Vier TeilnehmerInnen setzen sich auf die Stühle der vier Ohren. Eine Person liefert die Situation. Sie schreibt den zentralen Satz, der sie in dieser Situation getriggert hat, auf eine Moderationskarte und dazu die Person (Name, Funktion: Bruder, Mutter, Kollege, Freund…), die ihn gesagt hat.
Diese Karte gibt sie einer anderen Teilnehmerin, die auf dem einzelnen Stuhl gegenüber der Reihe steht und stellt sich selbst hinter den Stuhl links in der Reihe, vor dem die Karte: "Wolf außen" liegt.
Bevor es losgeht, wird geklärt, was der Satz ist und wer die Person ist, die ihn sagt.
Dann sagt die Teilnehmerin, die die Karte in der Hand hat, den Satz, und die Person, die auf dem Stuhl links (Wolf außen) sitzt, antwortet an Stelle der Fallgeberin entsprechend.
Als Anleiter sitze ich mit im Setting und frage nach, ob die Fallgeberin diese Wolfsgedanken kennt, oder vielleicht auch noch andere hat.
Wenn sie mit dem Wolf außen zufrieden ist, geht sie weiter zum Stuhl vom "Wolf innen". Wieder sagt die Person, die die Karte in der Hand hat, den Satz und wieder antwortet die Teilnehmerin, die auf dem Stuhl vor ihr sitzt, an ihrer Stelle, und wieder checke ich, ob die geäu0erten Gedanken für sie eine Bedeutung haben. Wenn alle Gedanken auf dem Tisch sind, wechselt die Fallgeberin zur "Giraffe innen".
Wieder fällt der Satz und dieses Mal antwortet die Person, die auf dem Stuhl "Giraffe innen" sitzt, an ihrer Stelle, und zwar wirklich mit Gefühlen und Bedürfnissen. Hier finde ich es wichtig, sich mehr Zeit zu nehmen, um der inneren Giraffe wirklich auf die Spur zu kommen und zu erfahren, wie Empathie mir selbst gegenüber wirkt und sich anfühlt.
Wenn die Selbsteinfühlung mit meiner Unterstützung und der der Gruppe funktioniert hat, kommt der letzte Wechsel zur "Giraffe außen".
Wieder fällt der Satz, wieder antwortet die Person, die auf dem entsprechenden Stuhl sitzt. Hier lasse ich meist eine Reaktion der Person, die den Satz sagt, zu, und auch noch eine weitere Antwort derjenigen, die auf dem Stuhl der "Giraffe außen" sitzt. Hier können die Teilnehmerinnen erfahren, wie Empathie beim anderen ankommt und erleben oft überraschende Momente, wenn sie auf diese Weise herausfinden, welche Bedürfnisse die andere beteiligte Person hat oder zumindest haben könnte.
Die Übung ist recht komplex im Setting, in der Durchführung dann aber recht einfach. Für mich als Trainer ist es hilfreich, sie gut zu kennen, damit ich eine gute Balance zwischen Einfühlung und Praxis, zwischen "echtem Anliegen" und Üben, hinbekommen. Ich füge sie ein, nachdem ich Beobachtung, Gefühl und Bedürfnis vorgestellt habe. So macht sie auf wunderbare Weise das Vorherige "rund" und liefert, während sie die "Technik" übt und veranschaulicht, oft auch überraschende und berührende innere Einsichten und Erkenntnisse.
Wenn die Person, die die Situation beigesteuert hat, alle vier Ohren durchlaufen hat, rotieren alle Beteiligte im Uhrzeigersinn einen Platz weiter. 
Wenn die Teilnehmerzahl größer als sechs ist, können wir links oder rechts von dem Stuhl der Person, die den Satz immer wieder einwirft, noch ein oder zwei Beobachterstühle einfügen. die mit in die Rotation einbezogen werden.

Montag, 11. November 2019

Arbeit mit den inneren Stimmen/Anteilen (inneres Team, zu dritt)


Diese Übung ist so etwas wie eine innere Mediation, eine Mediation mit meinem inneren Team, die zu vielen neuen Erkenntnissen über mich selbst und zu innerem Frieden führt.

Struktur:

Bei mir im Seminar findet sie zu dritt statt, wobei entweder alle mit einer eigenen Situation arbeiten können, oder auch nur eine Person. Wenn mehrere arbeiten möchten, hat es sich bewährt, dass alle Teilnehmerinnen erst den ersten Teil durchlaufen, bevor sie dann zum zweiten übergehen. Aber sie funktioniert auch gut, wenn Teil zwei direkt auf Teil eins folgt.

Ablauf:

Teil 1
1.    A erinnert sich an eine Situation, in der sie/er nicht in Frieden damit ist, wie sie/er sich verhalten hat. Erzählt sie in ganz wenigen Sätzen B und C.
2.    A versetzt sich wieder in diese Situation und spricht nach und nach alle Gedanken und Urteile zu ihrem Verhalten aus, die ihr kommen. Sie sagt: Eine Stimme in mir sagt…, ein Teil von mir denkt, …..  Sie gibt diesen Stimmen oder Anteilen Namen, als ob sie Personen auf ihrer inneren Bühne wären. B und C unterstützen sie dabei, indem sie die Gedanken auf Moderationskarten aufschreiben und sie den entsprechenden Persönlichkeiten zuordnen. Jeder neue Gedanke wird entweder einer bereits existieren inneren Persönlichkeit zugeordnet oder bildet eine neue.
3.    Dabei kann es Spaß machen, den gefundenen Spielern auf meiner inneren Bühne Namen und ein Aussehen zu geben und ihnen Charaktereigenschaften zuzuschreiben. B und C unterstützen.

Wenn A fertig ist, ist erst B und dann C an der Reihe und findet ihre inneren Stimmen und Persönlichkeiten und das, was sie sagen.


Teil 2
4.   A arbeitet wieder und gibt allen gefundenen Stimmen/Persönlichkeiten einen eigenen Platz. A setzt sich auf den Platz der Stimme, die am dringendsten Einfühlung braucht und spricht aus ihr heraus. Hierfür bekommt sie von B und C Einfühlung. Wenn sie in Frieden mit sich und entspannt ist, wechselt A auf den nächsten Platz, solange, bis alle Stimmen gehört wurden und ruhig sind.
Wenn die einzelnen Persönlichkeiten dabei in Streit miteinander geraten, haben wir es als spannend und unterstützend erlebt, wenn B oder C sich als Stellvertreterin mit auf die Bühne begeben.
5.    Danach wechselt A wieder auf „ihren“ Platz und erzählt, wie es ihr jetzt geht. Vielleicht sind die inneren Stimmen in einen Frieden miteinander gekommen und sie braucht jetzt nichts. Vielleicht ergibt aus dem vorausgegangenen Prozess eine Bitte an sich selbst, mit der sie die Bedürfnisse aller ihrer inneren Anteile in diesen Frieden bringen kann.
Am Ende betrachtet sie noch die Fragen: Wie geht es mir jetzt? Hat sich etwas in mir verändert?

Damit ist der Prozess für A zu Ende und B und C sind jetzt an der Reihe.

6. Wenn alle mit ihren inneren Stimmen gearbeitet haben, nehmt Euch noch Zeit für Austausch und Feedback: Wie geht es mir jetzt? Was war hilfreich, was nicht? Was fiel schwer, was leicht? Was habe ich gelernt?

(Natürlich funktioniert dieser Prozess auch gut, wenn nur eine Person in der Gruppe arbeitet.)

Seminarabläufe und -Inhalte

















Verantwortung - Wofür bin ich verantwortlich?


In meinen Einführungen geht es oft um die Frage, wofür ich als Mensch in meinem Alltagsleben, in meinen Beziehungen, verantwortlich bin.
 Meine Antwort darauf ist: Ich bin verantwortlich für das, was ich sage und tue. Ich bin nicht verantwortlich für Deine Reaktion darauf und dafür, wie es Dir mit dem, was ich gesagt oder getan habe, geht. Ich bin dann allerdings wieder dafür verantwortlich, wie ich mit Deiner Reaktion umgehe.

Und wenn ich sage, dass ich nicht verantwortlich dafür bin, wie es Dir mit dem, was ich sage oder tue, geht, heißt das nicht, dass ich mich nur um mich kümmere und dass Du mir egal bist. Dieser Satz befreit mich nur von der Verantwortung für DICH. Gleichzeitig sagt er, dass eben ICH und auch NUR ich verantwortlich dafür bin, was ich tue oder sage. Genauso, wie auch DU verantwortlich für das bist, was Du tust oder sagst.
Und mir geht es so, dass ich, wenn ich weiß, dass ich für mein Handeln verantwortlich bin, auch voller Verantwortung handeln MÖCHTE. Das bedeutet, dass ich möchte, dass mein Handeln mit meinen Werten übereinstimmt. Und wenn mein Handeln mit Dir zu tun hat, möchte ich, dass dadurch Werte wie z.B. Respekt, Fürsorge und Wertschätzung zum Ausdruck kommen. Und das dadurch zum Ausdruck kommt, dass Du mir eben nicht egal bist.
Deshalb ist der obige Satz kein Freifahrschein in Richtung Egoismus, sondern bringt mich im Gegenteil in Kontakt mit meiner Menschlichkeit und meiner sozialen Natur.

Verantwortung - wer ist verantwortlich, wenn wir uns streiten?


In Seminaren höre ich oft bezogen auf eine Streitsituation bzw. überhaupt schwierige Situation:
"ja, ich würde ja gern einen wertschätzenden Umgang, aber die/der andere ja nicht! Und es sind beide zu 50 Prozent verantwortlich. Es geht also nur, wenn beide mitmachen."
Eigentlich geht es bei einer solchen Aussage gar nicht um Verantwortung, sondern um Schuld: wer ist schuld daran, dass wir uns gegenseitig anschreien. Wir sind voll in der Wolfswelt, aus der wir ja gerade rauswollen.
Ich denke, dass man sich prima hinter einer solche Aussage verstecken kann. Man gibt Macht und Verantwortung ab und liefert sich der ablehnenden Haltung und dem Unverständnis der anderen Person aus.
"Ich kann ja nichts machen. Die/der andere zieht ja nicht mit."
So wird es nie eine Veränderung geben. Wir machen uns zum Opfer und geben der anderen Person die Schuld.
An dieser Stelle hilft es mir zu sagen, dass ICH verantwortlich bin für die Qualität meiner Beziehungen mit anderen Menschen. Wenn ich mir einen respektvollen Umgang untereinander wünsche, kann ich versuchen, das umzusetzen und respektvoll handeln. Damit gestalte ich meine Beziehungen verantwortlich in meinem Sinne. Ich trete aus dem Schulddenken heraus und bin in Kontakt mit meinen Bedürfnissen.
Und wenn ich mich mit jemandem streite, dann ist es nie, weil mich die andere Person dazu zwingt, sondern, weil ich mich dafür entscheide: weil ich nicht stehen lassen möchte, was sie sagt - weil ich das nicht so stehen lassen kann! -  (es ist falsch! - oder (z.B.) respektlos!).
Und dann streite ich mich eben. Vielleicht ist das sogar das beste, was ich gerade für mich tun kann: mich zu streiten. 
Nur ist es gut (weil es mir Freiheit und Macht gibt), mich daran zu erinnern, dass ich selber das gerade so will.

Sonntag, 10. November 2019

3-Stühle-Prozess

Mediation in die GFK!

(Beitrag in der Empathischen Zeit)
Das Thema dieser Ausgabe der EZ lautet ja Mediation und Gewaltfreie Kommunikation, bzw. GFK in der Mediation. Ich habe vor zwei Jahren das „Mediate Your Life“ Programm von John Kinyon und Ike Lasater kennengelernt, ein Ansatz, der umgekehrt Mediation sozusagen in die Gewaltfreie Kommunikation hineinholt, und möchte den Kernprozess als didaktischen Ansatz, auf den ich inzwischen in fast allen meinen Seminaren zurückgreife, vorstellen.

GFK als Instrument und als Haltung

Die Idee dahinter ist einfach: Das ganze Leben besteht aus Gesprächen: Gespräche zwischen anderen, denen ich beiwohne, Gespräche zwischen mir und anderen, und Gespräche, die ich mit mir selber führe, etwa, wenn ich mich für etwas entscheiden will und in der Entscheidung unsicher bin, oder etwas, was ich getan oder nicht getan habe, bedauere und verschiedene Stimmen in mir laut werden. Dabei steckt in allen diesen Gesprächen das Potential für einen Konflikt, einfach dadurch, dass sich unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Strategien zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse begegnen, oder in mir unterschiedliche Stimmen mit unterschiedlich gewichteten Bedürfnissen laut werden. Konflikte sind also natürlicher Teil meines Lebens, und in allen diesen Situationen hilft mir GFK als Instrument und als Haltung dabei, in einem Prozess die Verbindung zwischen den beteiligten Parteien und Stimmen zu bewahren, bzw. sie immer wieder herzustellen.

Mediationsprozess als Struktur

Dabei erfahre ich das klassische Mediatonssetting als sehr hilfreiche Struktur. Ich erlebe immer wieder neu, wie dieses Setting die GFK unterstützt und Menschen aus der Wolfswelt heraustreten und über den Kontakt mit ihren Bedürfnissen in die Giraffenwelt eintauchen lässt – eben auch Menschen, die von GFK noch nichts gehört haben.

3-Stühle-Prozess

Das ist der Punkt, den sich John Kinyon und Ike Lasater zunutze machen: Wenn Mediation als Setting im Konfliktalltag so gut funktioniert, um mit GFK Verbindung herzustellen, dann lasst sie uns doch auch in unseren GFK-Seminaren nutzen! In unseren Seminaren haben wir ja mit Menschen zu tun, die GFK noch nicht so gut kennen und sie erlernen wollen, um mit sich und mit anderen in inneren und äußeren Frieden zu kommen. John und Ike schlagen also vor, das Setting, das in der realen Welt so gut funktioniert, um Menschen sozusagen unbewusst in die Giraffenwelt eintreten zu lassen, auch zu benutzen, um die Teilnehmer an unseren Seminaren, die ja genau diesen Schritt bewusst gehen wollen, dabei zu unterstützen.
Dafür haben sie den Mediationsprozess angepasst und den folgenden Drei-Stühle-Prozess entwickelt. Die Struktur ist das klassische Mediationssetting: Zwei Konfliktparteien und die Mediatorin/der Mediator.
zum Beispiel: Bernhard erinnert sich, dass er sich vor kurzem das Auto einer Freundin ausgeliehen hat und eine Beule reingefahren hat, was zu einem Konflikt mit ihr geführt hat. Er möchte diesen Fall in unserem 3-Stühle-Setting mit Anke und Erika bearbeiten und wünscht sich, dass Anke zunächst in die Rolle der Freundin schlüpft und dass Erika den Fall mediiert. Erika hat zuerst kurz Gelegenheit, sich laut oder leise mit sich selbst zu verbinden und hat dann etwa acht Minuten Zeit, Bernhard und Anke in ihrer Verbindung zu unterstützen.
Schritt 1 (Fokus auf Anke):
Sie beginnt mit Anke, indem sie ihr zuhört und ihr für das Gesagte Einfühlung gibt, also ihre Gefühle und Bedürfnisse vermutet.
Anke: ich finde das unmöglich! Das kann er doch nicht machen! Ich leih ihm mein Auto, und er bringt es mir mit einer Beule zurück!
Erika: Habe ich richtig verstanden, dass Du empört bist und Dir Achtsamkeit im Umgang mit geliehenen Dingen wünschst? Ist das so?
Anke: ja.
Erika vergewissert sich also, dass sie Anke richtig verstanden hat und
Schritt 2 („Bedürfnistransfer“):
stellt dann sicher, dass Ankes Bedürfnisse auch von Bernhard gehört wurden, indem sie Ankes Gefühle und Bedürfnisse laut von Bernhard wiederholen lässt.
Erika: Bernhard, ich habe von Anke gehört, dass sie empört ist und sich Achtsamkeit im Umgang mit geliehenen Dingen wünscht. Hast Du das auch gehört und kannst Du ihr das bitte sagen? Magst Du ihr sagen, dass Du gehört hast, dass sie empört ist und sich Achtsamkeit im Umgang mit geliehenen Dingen wünscht?
Sie achtet darauf, dass Bernhard Anke das wirklich so sagt. Bernhard zu Anke: ja, ich habe gehört, dass Du empört bist und dass Dir Achtsamkeit im Umgang mit geliehenen Dingen wichtig ist.
(in einer wirklichen Gesprächssituation oder Mediation wird es oft so sein, dass die Konfliktparteien sich zunächst damit schwertun, die Bedürfnisse der anderen Partei zu wiederholen – weil sie eben etwas anderes; nämlich Vorwürfe und Anschuldigungen, hören und verstehen. Wie wir damit umgehen, üben wir später, wenn wir den Übungsprozess der Wirklichkeit anpassen und den Schwierigkeitsgrad erhöhen. Am Anfang ist es für das Lernen hilfreich, dass die Konfliktparteien die Mediatorin/den Mediator unterstützen, indem sie das tun, was er von ihnen möchte).
Schritt 3 (Fokus auf Bernhard):
Jetzt richtet Erika ihren Fokus auf Bernhard und gibt ihm Einfühlung.
Erika: Danke, Bernhard, dass Du gesagt hast, was Du verstanden hast. Wie ist das für Dich, das zu hören? Und auch, das auszusprechen? Und gibt es etwas, was du dazu sagen möchtest?
Bernhard: Naja, als ob ich nicht vorsichtig gewesen wäre! Es tut mir ja auch total leid, aber damit muss man eben rechnen, wenn man Auto fährt. Es kann immer mal was passieren. Außerdem ist ein Auto eben ein Gebrauchsgegenstand, und ich werde es ja auch wieder in Ordnung bringen!
Erika: das klingt, als ob Du Verständnis brauchst für das, was passiert ist. Und ich höre auch, dass es Dir leidtut, und dass Du es wieder in Ordnung bringen und den Schaden beheben willst, weil Dir Vorsicht und Respekt im Umgang mit geliehenen Sachen wichtig ist, ist das so?
Bernhard: ja.
Schritt 4 („Bedürfnistransfer“):
Nun achtet Erika darauf, dass die Essenz des von Bernhard gesagten bei Anke angekommen ist und lässt seine Gefühle und Bedürfnisse von ihr wiederholen.
Erika: Anke, ich habe von Bernhard gehört, dass er sich Verständnis wünscht für das, was passiert ist. Und dass es ihm leidtut, und er die Sache in Ordnung bringen will, weil ihm Respekt im Umgang mit geliehenen Sachen wichtig ist. Kannst Du ihm diese Bedürfnisse wiederholen, zum Zeichen, dass Du ihn verstanden hast?
Anke: ja, Bernhard, ich habe verstanden, dass Du Dir Verständnis wünschst für das, was passiert ist und auch, dass Du es in Ordnung bringen willst, weil Dir ein respektvoller Umgang mit geliehenen Sachen wichtig ist.
Weiter geht’s wieder mit Schritt 1 (Fokus auf Anke):
Erika: danke, Anke, dass Du Bernhard sagst, was Du verstanden hast. Wie ist das für Dich, zu hören, dass Bernhard ein respektvoller Umgang mit geliehenen Sachen wichtig ist?
Anke: für mich ist mein Auto nun wirklich nicht einfach nur ein Gebrauchsgegenstand. Es hat viel Geld gekostet und es hat für mich einen großen Wert. Und ich weiß nicht, ob ihm das klar ist, wenn er mal eben schnell von "in Ordnung bringen" redet. Da regt mich echt auf. Es geht hier nicht um irgendeine Kleinigkeit!
Erika: das klingt so, als ob Du wirklich aufgebracht bist und Dir wünschst, dass Du mit Deiner Sicht der Dinge ernst genommen wirst, oder?
Anke: Ja
... Und jetzt kommt wieder Schritt 2,3,4, und der Übungskreislauf geht für insgesamt etwa acht Minuten weiter in diesem Schema: Erika in der Rolle der Mediatorin gibt abwechselnd Anke und Bernhard in der Rolle der Konfliktparteien Einfühlung (Schritt 1 und 3) und achtet darauf, dass die Bedürfnisse jeweils bei der anderen Person ankommen (Schritt 2 und 4).
Nach Ablauf der acht Minuten gibt es 3 Minuten Zeit für ein Feedback, bzw. eine Reflexion. In dieser Zeit beschäftigt sich zuerst Erika als Mediatorin laut damit, was ihr leichtgefallen ist und was nicht, und was
für sie hilfreich war und was nicht. Dann bekommt sie anhand der gleichen Fragen auch von Anke und Bernhard in der Rolle der Konfliktparteien eine Rückmeldung.
Danach werden die Stühle und Rollen getauscht: Erika wird zu Bernhard, Bernhard schlüpft in die Rolle von Anke, und Anke wird Mediatorin, und es geht am gleichen Fall (!) mit den Schritten 1 - 4 weiter, und zwar an der Stelle, wo Bernhard oder Erika eben weitermachen wollen. Das funktioniert dann genauso wie der erste Durchgang: Erst eine kurze Selbsteinfühlungsphase für Anke, dann etwa acht Minuten Mediationszeit, dann drei Minuten Feedback/Reflexion.
Wenn auch dieser Durchgang zu Ende ist, werden noch einmal die Rollen und die Stühle getauscht. Es wird wieder am selben Fall weitergearbeitet, sodass jetzt jede an dieser Übung beteiligte Person alle Positionen einmal kennengelernt hat: Bernhard war also einmal er selbst, einmal in der Rolle der abwesenden Freundin, die ihm das Auto geliehen hatte, und einmal hat er seinen eigen Fall mediiert. Und das ist auch einer der Aha-Effekte dieser Übung: Ich lerne als Fallgeber meinen eigenen Konflikt aus meiner eigenen Perspektive, aus der der beteiligten Konfliktpartei und der des Mediators kennen. Und das schafft immer wieder neue Erkenntnisse.

3-Stühle-Prozess im Seminar

Weiterer Punkt: Ich halte die Teilnehmer dazu an, jedenfalls am Anfang wirklich die Formel: bist Du …, brauchst Du …? zu verwenden. So lernen und spüren sie in der Rolle der Mediatorin und des Mediators, wie es sich anfühlt, Gefühle und Bedürfnisse zu vermuten und auch AUSZUSPRECHEN, bekommen sofort eine Rückmeldung dazu, wie das bei der Person, der sie Einfühlung geben, ankommt, und erfahren im Laufe des Settings auch am eigenen Leibe, wie es sich anfühlt, als Konfliktpartei so angesprochen zu werden. Gleichzeitig finden sie auch leichter durch das Üben und die direkten Rückmeldungen zu ihren eigenen Worten, zu „ihrer“ Sprache: Für mich ein ideales Setting zum Üben von Empathie.
Außerdem lässt sich die Übung dem Lernen der Teilnehmer anpassen und mindert so die Gefahr durch Frust durch einen zu hohen Schwierigkeitsgrad. Ich habe es am eigenen Leib am Anfang oft erlebt, dass ich in Rollenspielen in der Rolle des Mediators dachte, dass das nie klappen kann und ich es niemals hinkriege, weil sich die Teilnehmer in der Rolle der beteiligten Konfliktparteien in die Rolle so richtig hineinbegaben, lange und intensiv redeten, sodass ich sie hätte unterbrechen und stoppen müssen, ihren gespielten und dann echten Ärger hätte verwandeln müssen, oder mit den Gedanken meiner Hilflosigkeit und Unzulänglichkeit in Kontakt kam und dann einen fortgeschrittenen authentischen Selbstausdruck gebraucht hätte. In unserer Drei-Stühle-Übung von John und Ike bestimmt die Mediatorin/der Mediator selbst den Schwierigkeitsgrad, den sie oder er sich zutraut und kann den im Laufe der Übungszeit auch noch anpassen. Erika in der Rolle der Mediatorin kann sagen, was sie üben will und wie hoch der Schwierigkeitsgrad sein soll, und die Rollenspieler halten sich daran. Am Anfang empfehle ich immer, es sich leicht zu machen: Nicht mehr als zwei-drei Sätze und brav den Anweisungen der Mediatorin folgen. So wird Frust vermieden und es kann ordentlich gelernt werden. In der Folge könnte Erika dann sagen, was sie jetzt üben möchte: z.B. Unterbrechen oder andere Fertigkeiten, die in einem echten Konflikt hilfreich sind, wie authentischer Selbstausdruck oder "Notfall-Empathie“. Und Erika als Mediatorin kann sich auch wünschen, dass A und B ihre Rolle immer engagierter und echter, eben wie im wirklichen Leben, spielen. Das alles erhöht den Schwierigkeitsgrad langsam und im Tempo der beteiligten Personen. So können sie in ihrem Lernfeld bleiben, Empathie und Selbstempathie erproben und erlernen und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten entwickeln, sodass die gewünschte Umsetzung im echten Leben leichter fällt.
So ist dieser „3-Stühle-Prozess“ für mich zu einer zentralen Übung geworden, der in der oben beschriebenen Gestaltung auch meine ganze Jahresausbildung durchzieht.

3-Stühle-Prozess im Leben

Tatsächlich benutze ich ihn auch selbst inzwischen als Lieblingssetting für die Bearbeitung vergangener Situationen, die mir noch nachhängen und zur Vorbereitung auf zukünftige Konstellationen oder schwierige Gespräche:
So treffe ich mich regelmäßig mit zwei Trainerinnen zu einer Triade auf Skype für diesen Prozess. Wir treffen uns um die verabredete Uhrzeit, geben uns etwa eine halbe Stunde Zeit für Ankommen und Austausch und legen dann den „Fall“ fest, an dem wir eine Stunde lang arbeiten wollen. Das geschieht genau nach der obigen Struktur. Das sind dann für mich jedes Mal spannende eineinhalb Stunden mit ganz hohem Lernfaktor, die zu Entwicklung und innerer Klärung führen – auch, wenn es gar nicht um „meinen“ Fall geht.
Auf diese Weise hat Mediation als „3-Stühle-Prozess“ Einzug in meine GFK-Praxis gefunden und ich „mediiere“ mein Leben: in meinen eigenen realen Konflikten und (zuweilen) in denen der Menschen um mich herum, in meinem Lernen und meiner Entwicklung, und in meiner Arbeit als Trainer.

Flipcharts zum 3-Stühle-Prozess



Hier der Ablauf in der ersten Stufe:
(Hier stimmen die Punkte 1-4 nicht mit dem Flipchart zur Struktur des Prozesses oben überein.)



So geht es dann weiter:
(Hier stimmen die Zahlen)



Denkanstöße








Feindbildprozess


Feindbildprozess



Feindbildprozess zu dritt


Das „Feindbild“ ist ein schönes oder hässliches Bild, das ich von einer anderen Person in meinem Kopf habe, und das mich davon abhält, mit ihr oder ihm in eine empathische Verbindung zu gehen.

Es ist die Gesamtheit der Gedanken und Urteile, die ich über die andere Person habe. Im Ergebnis führt das dazu, dass Ich nicht die andere Person sehe, wenn ich ihr gegenüberstehe, sondern das Bild, das ich von ihr in meinem Kopf habe. Ich unterhalte mich irgendwie mit mir selbst und nicht mit der anderen Person. Die Beiträge, die die andere Person in der Kommunikation leistet, werden für mich sozusagen von meinem Bild gemacht und nicht von der anderen Person und von mir dann auch so bewertet.

Dieses Bild kann negativ, aber durchaus auch positiv besetzt sein. „Er hat einen schlechten Charakter“, „Sie wird sich nie verändern“, und auch „Sie ist so wortgesandt und kann sich viel besser ausdrücken als ich“ – das sind Beispiele für Urteile, durch die sich ein Feindbild ausdrückt und die mich von der wirklichen Person trennen.

Damit ich mit dieser Person in einen aufrichtigen und wertschätzenden Kontakt gelangen kann, ist es förderlich, vorher das Bild, das ich mir von ihr mache, zu verändern. Das tue ich mit diesem „Feindbildprozess“.





A gibt den Fall: sie hat eine Person, gegenüber der sie bewertende Gedanken hat – negativ oder positiv, und die sie von der anderen Person trennen.
B begleitet A in diesem Prozess
C unterstützt: sie hält den Raum und kann einspringen, wenn A oder B „steckenbleiben“

So funktioniert’s:

1.     B schlüpft in die Rolle des abwesenden „Feindes“ und gibt A aus ihr heraus Einfühlung. Sie lässt A alle Gedanken, alle Bewertungen sagen, die sie über diese Person hat und findet die Bedürfnisse heraus, die zu diesen Urteilen führen. Um dahin zu kommen, kann es hilfreich sein, die Beobachtungen zu benennen, die mit diesen Urteilen verknüpft sind, die Gefühle zu erspüren, die mit ihnen einhergehen und so zu den unerfüllten Bedürfnissen zu kommen, die sich in den Urteilen verstecken.
Das geht solange, bis A fertig ist und nichts mehr zu sagen hat. Das heißt, dass alle Feindbilder über die andere Person in Bedürfnisse umgewandelt sind und A in Frieden mit der anderen Person ist und neugierig wird, verstehen will, was B bewegt.

2.    A und B tauschen ihre Rollen. B wird A und gibt aus dieser Position heraus A, die jetzt ja in der Rolle ihres „Feindes“ ist, Einfühlung. Als ihr eigenes Feindbild sagt A hier alle Dinge, von denen sie/er glaubt, dass diese Person sie über sie/ihn denkt. Sie reagiert auf das, was sie vorher sich selbst hat sagen hören. Sie kann auch sagen, was sie denkt, dass ihr „Feind“ anderen über sie erzählen würde. Auch das geht, bis A in der Rolle ihres „Feindes“ Entspannung verspürt und zurückwechseln kann. 

3.    A und B tauschen wieder ihre Plätze: A wird wieder sie selbst. 
Wenn sie eine Veränderung spürt und entspannt ist, ist der Prozess zu Ende. Wenn nicht, ist ein weiterer Durchgang hilfreich.

Wenn der Prozess zu Ende ist, ist die Aufgabe von B und C,  A darin zu unterstützen, über den Prozess zu reflektieren. Das geht zum Beispiel mit Fragen wie:
„Wie war das für Dich?“
„Wie geht es Dir jetzt?“
„Fühlst Du Dich jetzt anders als am Beginn dieses Prozesses?“
„Was hast Du durch diesen Prozess gelernt?“

4. Und wenn A an dem Punkt ist, können B und C jetzt A dabei unterstützen, eine Bitte für sich zu finden, die ausdrückt, wie sie jetzt weiter mit dieser Situation umgehen möchte.