Sonntag, 10. November 2019

Feindbildprozess


Feindbildprozess



Feindbildprozess zu dritt


Das „Feindbild“ ist ein schönes oder hässliches Bild, das ich von einer anderen Person in meinem Kopf habe, und das mich davon abhält, mit ihr oder ihm in eine empathische Verbindung zu gehen.

Es ist die Gesamtheit der Gedanken und Urteile, die ich über die andere Person habe. Im Ergebnis führt das dazu, dass Ich nicht die andere Person sehe, wenn ich ihr gegenüberstehe, sondern das Bild, das ich von ihr in meinem Kopf habe. Ich unterhalte mich irgendwie mit mir selbst und nicht mit der anderen Person. Die Beiträge, die die andere Person in der Kommunikation leistet, werden für mich sozusagen von meinem Bild gemacht und nicht von der anderen Person und von mir dann auch so bewertet.

Dieses Bild kann negativ, aber durchaus auch positiv besetzt sein. „Er hat einen schlechten Charakter“, „Sie wird sich nie verändern“, und auch „Sie ist so wortgesandt und kann sich viel besser ausdrücken als ich“ – das sind Beispiele für Urteile, durch die sich ein Feindbild ausdrückt und die mich von der wirklichen Person trennen.

Damit ich mit dieser Person in einen aufrichtigen und wertschätzenden Kontakt gelangen kann, ist es förderlich, vorher das Bild, das ich mir von ihr mache, zu verändern. Das tue ich mit diesem „Feindbildprozess“.





A gibt den Fall: sie hat eine Person, gegenüber der sie bewertende Gedanken hat – negativ oder positiv, und die sie von der anderen Person trennen.
B begleitet A in diesem Prozess
C unterstützt: sie hält den Raum und kann einspringen, wenn A oder B „steckenbleiben“

So funktioniert’s:

1.     B schlüpft in die Rolle des abwesenden „Feindes“ und gibt A aus ihr heraus Einfühlung. Sie lässt A alle Gedanken, alle Bewertungen sagen, die sie über diese Person hat und findet die Bedürfnisse heraus, die zu diesen Urteilen führen. Um dahin zu kommen, kann es hilfreich sein, die Beobachtungen zu benennen, die mit diesen Urteilen verknüpft sind, die Gefühle zu erspüren, die mit ihnen einhergehen und so zu den unerfüllten Bedürfnissen zu kommen, die sich in den Urteilen verstecken.
Das geht solange, bis A fertig ist und nichts mehr zu sagen hat. Das heißt, dass alle Feindbilder über die andere Person in Bedürfnisse umgewandelt sind und A in Frieden mit der anderen Person ist und neugierig wird, verstehen will, was B bewegt.

2.    A und B tauschen ihre Rollen. B wird A und gibt aus dieser Position heraus A, die jetzt ja in der Rolle ihres „Feindes“ ist, Einfühlung. Als ihr eigenes Feindbild sagt A hier alle Dinge, von denen sie/er glaubt, dass diese Person sie über sie/ihn denkt. Sie reagiert auf das, was sie vorher sich selbst hat sagen hören. Sie kann auch sagen, was sie denkt, dass ihr „Feind“ anderen über sie erzählen würde. Auch das geht, bis A in der Rolle ihres „Feindes“ Entspannung verspürt und zurückwechseln kann. 

3.    A und B tauschen wieder ihre Plätze: A wird wieder sie selbst. 
Wenn sie eine Veränderung spürt und entspannt ist, ist der Prozess zu Ende. Wenn nicht, ist ein weiterer Durchgang hilfreich.

Wenn der Prozess zu Ende ist, ist die Aufgabe von B und C,  A darin zu unterstützen, über den Prozess zu reflektieren. Das geht zum Beispiel mit Fragen wie:
„Wie war das für Dich?“
„Wie geht es Dir jetzt?“
„Fühlst Du Dich jetzt anders als am Beginn dieses Prozesses?“
„Was hast Du durch diesen Prozess gelernt?“

4. Und wenn A an dem Punkt ist, können B und C jetzt A dabei unterstützen, eine Bitte für sich zu finden, die ausdrückt, wie sie jetzt weiter mit dieser Situation umgehen möchte.

1 Kommentar:

  1. Lieber Johannes, ich bin beeindruckt von deiner Arbeit. Mir gefallen die Fotos in der Natur, die selbst gezeichneten Flipcharts (deine meditative Einstimmung damit kann ich mir gut vortellen) und die ausführlichen Texte mit viel GFK-Knowhow. Ich danke dir :-)

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